Was sich Xenia und Philipp für den nächsten Tagesordnungspunkt genannt "Morgensport" haben einfallen lassen, kann ich nur als "genialer Coup" beschreiben. Trotz des leichten Nieselregens begab sich die gesamte Schar nämlich nach draußen hinter die Herberge, an die sich sehr idyllisch eine Grünanlage mitsamt diversen Brückenbogen und Radweg anschließt. Und eben diese Idylle okkupierten wir nach allen Regeln der Schachkunst. Erst einmal wurden zwei Lager gebildet, die gegeneinander in Wettstreit treten sollten. Dann wurde das Zentrum besetzt, sprich es wurden unter einem Brückenbogen (da war es nämlich garantiert trocken) zwei Bretter mit identischem Motiv aufgebaut.

Danach wurden die Stellungen entwickelt, indem wir die eine Gruppe nach links 50 Meter den Radweg entlang postierten, wo sie ein leeres Brett und einen Satz Figuren vorfanden. Die anderen wurden nach rechts entsandt, wo auf sie das identische Material in derselben Entfernung wartete. Die Aufgabe bestand nun darin, der Reihe nach eine Vertreterin der Gruppe loszuschicken, um sich eine Figur der Beispielstellung zu merken und selbige auf das eigene Brett zu bringen. Welche Partei die Stellung als erste richtig auf ihr eigenes Brett übertragen hat, sollte den Sieg zuerkannt bekommen.
Was sich daraufhin kurz nach dem "Anpfiff" zutrug, konnte selbst ich mir mit all meiner blühenden Phantasie nicht vorstellen. Sofort preschten die ersten Mädels los, rannten fliegenden Haares unter die Brücke, starrten auf eines der Bretter und düsten flinken Fußes zurück. Dabei beachteten sie weder die Radfahrer (welche sich dankenswerter Weise als äußerst verständnisvoll erwiesen und einfach Slalom um Bretter und Läuferinnen fuhren), noch die Spaziergänger, die interessiert stehen blieben und dem Treiben zusahen. "Ich habe noch nie gesehen, dass Schach so gespielt werden kann!" bekam ich genauso zu hören wie "Schach kann ja richtig anstrengend sein, scheint aber Spaß zu machen!" und Xenia fügte dem Ganzen hinzu „Somit wird das Denkvermögen, sowie die Konzentrationsfähigkeit der Mädels gefördert!“



Nach ca. 10 Minuten rief der linke Flügel "FERTIG!!!" und eine Kontrolle ergab, dass wirklich die Stellung komplett richtig auf dem Brett stand, der Siegesjubel also verdient dem Damenflügel gebührte.

Gut gelüftet und (im wahrsten Sinne des Wortes) warmgelaufen ging es dann zur nächsten "echten" Trainingseinheit. Wieder arbeiteten die Mädchen höchst konzentriert und aktiv mit, so dass sie sich das anschließende Picknick auf grüner Flur und das kühlende Bad im Altmühlsee wirklich mehr als verdient hatten. Sogar die Gelegenheit zu mehreren gepflegten Partien "Tussischach" im Grünen (ein Augenschmaus der besonderen Art!) wurde genutzt.


Als dann eine Teilnehmerin inbrünstig und begleitet von einem tiefen Seufzer "Ist DAS ein Erlebnis!!!" hervorbrachte, ging uns Betreuern das Herz auf und wir genossen diesen speziellen Moment in vollen Zügen.
Derart glücklich und tiefenentspannt wurde nach der Rückkehr in die Herberge noch eine weitere Trainingseinheit absolviert, bevor die Damenwelt (ergänzt durch unseren Quotenmann) zum Höhepunkt des Tages, dem "Tauschspiel" aufbrach. Auch hier gab es zwei Lager, die "Weiße Dame" und die "Schwarze Dame", welche jeweils ihre reale Holzschachfigur möglichst originell und in vielfältigen Tauschgeschäften "umwandeln" sollten. Aber um Schach nicht ganz dabei aus den Augen zu verlieren mussten die Mädels nach jedem dritten Tauschgeschäft mitten auf der Straße eine Schachaufgabe lösen. Was ich DA dann alles erleben durfte, würde den Rahmen dieses Beitrages eindeutig sprengen! Ich kann nur sagen, weder die Geschäftswelt noch die Privatmenschen in Gunzenhausen waren mehr sicher vor den Chess Girls. Selbst die Unwetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes konnte die Mädels nicht aufhalten (vielmehr verzog sich das Unwetter freiwillig angesichts dieser geballten Ladung an Energie, die auf den Straßen unter ihm tobte) und so ertauschten sich die jungen Damen bei eitel Sonnenschein: einen Schutzengel, zwei Plüschis, eine aufblasbare Keule, einen Holzkäfer, zwei Kaktuskerzen, zwei Duftkerzen, zwei Flaschenöffner, zehn Schlüsselbänder, ein Mikadospiel und noch sonstige nützliche Dinge, die ich aber leider angesichts der Fülle einfach vergessen habe.



Ist die holde Weiblichkeit angesichts dieser Leistungen aber nun etwa müde? Mitnichten! Aktuell sitzen sie in trauter Einheit beieinander und entwerfen mit ungebremster Kreativität und enormem Feuereifer das offizielle Logo des Bayerischen Girls Chess Camps, welches die Einladungen zum nächsten Girls Camp im kommenden Jahr zieren soll. Ich bin ganz ehrlich zutiefst beeindruckt von diesen Mädels und einfach nur dankbar, daran teilhaben zu dürfen. (Foto 16, 17)


Lassen wir uns überraschen, ob ich morgen meine Sprache wieder gefunden haben werde, um über das Finale Furioso zu berichten…